SchlaU hat
eine SMV!
Ich bin einer von den zwei Klassensprechern in der Klasse von Vera A. Ich freue mich über diese Arbeit. Also will ich über die SMV von SchlaU berichten, für alle, die davon noch zu wenig gehört haben. Und für alle, die auch diese tolle Arbeit machen wollen.
Was ist die SMV?
Wir sprechen sie aus wie Esemfau. Es ist eine Abkürzung für Schüler-Mit-Verantwortung. Das sind Schülerinnen und Schüler, die für die ganze Schule und für die anderen Schülerinnen und Schüler eine besondere Verantwortung übernehmen mit ihren Ideen, mit ihrer Hilfe, mit Arbeit und mit Zeit. Das sind ganz besonders die KlassensprecherInnen und die SchülersprecherInnen. Zusammen sind sie für die Schule wie ein Parlament in einer Demokratie.
Wie ist die SMV bei SchlaU entstanden?
Lange Zeit gab es an dieser Schule keine SMV. Viele bei SchlaU haben gedacht: Wir haben schon genug zu tun mit unseren Problemen. Und jeder hat sich selber um seine Probleme gekümmert, alleine oder mit der Hilfe von einem Betreuer oder von LehrerInnen. Aber wir sind gewachsen. Und schon vor zwei Jahren bekamen wir Besuch und Hilfe von der SMV des Münchner Pestalozzi-Gymnasiums. Wir haben gelernt, was das ist und dass die SMV eine gute Sache ist.
Die Klassen-
sprecherInnen
Am Anfang des Schuljahres 2015/16 hat dann jede Klasse bei SchlaU zwei Klassensprecher gewählt. Die Regeln waren so: Die Wahl muss demokratisch sein. Jede und jeder hat auf einen Zettel den Namen von einer Frau und von einem Mann aus der Klasse geschrieben. Die zwei mit den meisten Stimmen sind gewählt. Bei gleicher Stimmenzahl für den gleichen Namen gab es eine zweite Wahl. Bei ganz wenigen Klassen war kein Mädchen bereit für die Wahl, dann sind es zwei Jungs geworden. Seitdem haben wir 30 KlassensprecherInnen für die 15 Klassen.
Die Schüler-
sprecherInnen
30 Leute sind zu viel für ein Gespräch mit der Schulleitung oder mit anderen Leuten. Dazu brauchen wir eine kleine Gruppe, die Schülersprecher. Im Oktober haben sich alle neu gewählten Klassensprecher zum ersten Mal getroffen und sich kennengelernt. Dann haben sie die drei Sprecher und drei Stellvertreter für alle Schüler gewählt. Das waren in diesem Jahr: Asmar (Klasse Magdalena), Shehenaz (Klasse Regine), Omid (Klasse Claudia), Amir (Klasse Magdalena), Najma (Klasse Vera A.), Nogaye (Klasse Brigitte).
Diese sechs Mädchen und Jungs haben in diesem Schuljahr ein paar Mal mit unserer Schulleiterin Antonia gesprochen über unsere Wünsche für die ganze Schule und über die Ideen der KlassensprecherInnen. Sie haben dabei großen Respekt und auch Hilfe bekommen.
Was haben wir Klassensprecher gemacht?
Fast in jedem Monat war ein Treffen von allen KlassensprecherInnen. Dort haben wir überlegt, was wichtig ist für uns und für die Schule und was wir dafür machen können. Manche Ideen haben wir den sechs SchülersprecherInnen als Aufgabe gegeben für das nächste Gespräch mit der Schulleitung. Zum Beispiel den Wunsch nach Schwimmkursen. Jetzt gibt es Schwimmkurse für Mädchen. Oder den Wunsch nach Fußballtraining. Jetzt gibt es ein gutes Team mit einem Trainer und mit guten Chancen für die nächsten Spiele.
Manche Ideen haben auch wir Klassensprecher selber wahrgemacht. Ich kann ein Beispiel erzählen: Ich habe selber Flüchtlingsfamilien geholfen. Ich habe im KVR und in einem Asylbewerberheim als Übersetzer gearbeitet. So habe ich zwei Familien aus einem bösen Streit herausgeholfen. Ein Junge aus einer von den zwei Familien hat mich am Telefon um Hilfe gefragt. Gemeinsam mit einer Betreuerin habe ich alle nach dem Grund für den Streit gefragt. Es ging um einen Kühlschrank in der gemeinsamen Küche. Mit Reden und Übersetzen konnte ich den Streit schlichten. Jetzt leben die beiden Familien wieder in Frieden. Bei einer anderen Familie habe ich im Gespräch zwischen einer schwangeren Frau und dem Arzt mit Übersetzen geholfen. Aber auch andere Schüler von SchlaU haben ähnliche Hilfen gegeben. Und ich hoffe, dass viele von uns das auch in der Zukunft machen.
Wir haben am Anfang nicht gewusst, was wir alles machen können. Ganz wichtig waren dazu zwei Seminare für alle 30 KlassensprecherInnen. Das erste Seminar war im Dezember 2015. Zwei Tage lang haben wir im Haus der Jugendarbeit gelernt: Was ist unser Job? Was ist unser Recht? Was sind unsere Stärken? Welche Ziele haben wir gemeinsam für unsere Schule? Seit diesem Seminar haben wir KlassensprecherInnen uns wirklich gut gekannt und gut zusammengearbeitet. Das zweite Seminar war am 4. Juni 2016 im Eine-Welt-Haus. Dort haben wir alle Ideen des Schuljahres zusammengetragen und darüber diskutiert: Was haben wir erfolgreich geschafft? Wie war unsere Arbeit? Was haben wir gelernt? Wir haben uns über die Erfolge gefreut und deswegen am Ende auch gefeiert: Wir sind zum Bowling gegangen und zu einem gemeinsamen Abendessen und hatten großen Spaß dabei. Die beiden Seminare hat Raphael Thalhammer organisiert und geleitet.
Im Januar haben alle KlassensprecherInnen in einer großen Versammlung zum ersten Mal zwei Verbindungslehrkräfte gewählt, nämlich Isabella und Peter S. Die Verbindungslehrkräfte haben die Aufgabe, dass sie der SMV helfen und dass sie auch helfen, wenn es zu großen Stress gibt zwischen uns Schülern und den Lehrkräften oder der Schulleitung. Isabella und Peter haben auch immer zusammen mit Norman unsere Treffen organisiert und uns geholfen, wenn wir etwas brauchen.
Ich hoffe, dass es auch im nächsten Schuljahr eine erfolgreiche SMV gibt!
Abdi Somalia
Interview mit Antonia
Hallo, ich bin Omid und ich freue mich, dass ich ein Schüler in der SchlaU-Schule bin. Ich bin seit zwei Jahren in der SchlaU-Schule. Ich habe ein paar Fragen an Sie, wenn Sie sie mir beantworten möchten.
Antonia: Ja, natürlich sehr gerne (lacht). Für die Schülerzeitung und für dich immer sehr gerne.
Wie lange arbeiten Sie mit Flüchtlingen?
Antonia: Ich arbeite mit Unterbrechungen seit 16 Jahren an der SchlaU-Schule. Und ich habe davor aber auch schon als Schülerin mit einer Schülergruppe mit Flüchtlingen gearbeitet und ihnen Hausaufgabenhilfe gegeben und ein bisschen Deutsch gelernt. Das habe ich schon gemacht, als ich 16 Jahre alt war.
Was haben Sie studiert?
Antonia: Ich habe Lehramt studiert für die Grundschule und für Deutsch als Zweitsprache. Dann habe ich noch ein Montessori-Diplom gemacht.
Waren Sie auch mal Lehrerin an einer deutschen Schule?
Antonia: Ja, ich habe viereinhalb Jahre an einer deutschen Schule unterrichtet. Das war auch spannend, aber mit den Jugendlichen hier macht es mir viel mehr Spaß, und ich habe auch das Gefühl, dass meine Arbeit hier nochmal viel besser ankommt, dass ich viel mehr bewirken kann.
Immer wenn ich Sie sehe, sind Sie glücklich. Ich glaube, vor 16 Jahren, im Jahr 2000, wurde die SchlaU-Schule von Michael Stenger, einem engagierten Flüchtlingshelfer, gegründet, und Sie waren auch dabei.
Antonia: Genau, ja.
Und unsere Schule wuchs von drei Klassen auf heute 15 Klassen und hat über 40 LehrerInnen. Was denken Sie darüber?
Antonia: Ich glaube, das ist genauso groß geworden, wie es das brauchte. Als wir angefangen haben, wussten wir noch gar nicht, wie wird das funktionieren, wie werden wir Erfolge haben mit dem Lernen. Alles ist erst so der Reihe nach dazugekommen. Irgendwann haben wir gemerkt, die Jugendlichen müssen auch einen Abschluss machen können. Dann haben wir gemerkt, wir brauchen auch Sozialpädagogen. Dann haben wir gemerkt, es sind noch viel mehr Jugendliche, die Schule und Hilfe brauchen und haben dann immer mehr Klassen dazugenommen. Dann sind wir dreimal in immer größere Schulgebäude umgezogen, haben immer mehr Leute dazubekommen, immer mehr Lehrer, aber eben auch Sozialpädagogen. Dann haben wir SchlaUzubi angefangen, die Nachbetreuung. Und ich glaube, dass das genau die Entwicklung war, die es gebraucht hat. Und jetzt können wir anderen auch zeigen, wie es gut geht. Und die anderen Schulen schauen auf uns, was wir entwickelt haben.
Ich sehe jetzt, Sie sind eine ganz wichtige Säule in der SchlaU-Schule. Ich war auch in der Tochter-SchlaU-Schule, ISuS-Schule. Was denken Sie über die ISuS-Schule?
Antonia: Die ISuS-Schule ist ganz wichtig, weil gerade diese Anfangszeit so wichtig ist. Früher haben wir die Klassen, die jetzt bei ISuS sind, die Alphabetisierungsklassen zum Beispiel, auch in der SchlaU-Schule gehabt. Ich habe zum Beispiel auch mal zwei Jahre lang eine Alphabetisierungsklasse, also die allererste Klasse bei ISuS, unterrichtet. Und das ist eine ganz, ganz wichtige Zeit, diese Anfangszeit, dieses erste Schuljahr, wo man lernt, dass es hier Leute gibt, die es gut mit einem meinen, die einem wirklich helfen wollen, wo man vielleicht als Jugendlicher das erste Mal überhaupt in die Schule geht, wo man lesen und schreiben lernt. Das ist eine ganz schwere Zeit, aber auch eine ganz, ganz wichtige Zeit. Das macht jetzt ISuS, weil gar nicht alle in eine Schule passen. Und das ist eine ganz, ganz wichtige Arbeit, die ISuS da macht.
Das bedeutet, die ISuS-Schule bereitet die deutsche Sprache vor und dann kommen die Schüler in die SchlaU-Schule und können den Mittelschulabschluss oder die Mittlere Reife machen.
Antonia: Genau, zum Beispiel. Es sind ja nicht alle Schüler vorher bei der ISuS-Schule. Aber diejenigen, die noch lesen und schreiben lernen müssen oder die eben mit Deutsch noch ganz am Anfang stehen, die gehen zuerst in die ISuS-Schule. Und früher, als SchlaU noch ganz klein war, als wir nur fünf Klassen hatten, da hatten wir sozusagen auch eine ISuS-Klasse. Die war aber bei SchlaU.
Wie lange gibt es an der SchlaU-Schule schon Abschlüsse, Quali oder Mittelschulabschluss?
Antonia: Damit haben wir im Jahr 2005 angefangen.
Und jetzt gibt es hier auch die Mittlere Reife.
Antonia: Genau. Seit zwei Jahren machen wir auch die Mittlere Reife.
Und wir wünschen uns vielleicht in Zukunft auch das Abitur (lacht). Die SchlaU-Schule hat auch geplant, neue Schulen für Flüchtlinge anzufangen.
Antonia: Wir haben das lange überlegt, weil wir natürlich sehen, dass so viele Flüchtlinge noch nicht in die Schule gehen können. Jetzt ist es aber so, dass es der Staat immer mehr übernimmt, auch Flüchtlinge zu unterrichten. Das finden wir gut. Ich finde, eigentlich ist Schule eine Aufgabe vom Staat, eine öffentliche Aufgabe. Es reicht noch lange nicht, es muss noch viel mehr passieren, aber sie machen einen Anfang. Jetzt haben wir von der SchlaU-Schule gesagt, wir haben nicht genügend Personen, nicht genügend Lehrer, und wir können nicht noch eine zweite Schule aufmachen. Und jetzt haben wir gesagt, wir machen keine neuen Schulen, sondern wir machen Unterricht für die Lehrer von anderen Schulen, damit die lernen, wie man Flüchtlinge gut unterrichten kann. Das machen wir jetzt und geben so unser Wissen weiter, und so können neue, andere Schulen entstehen.
Das bedeutet, Sie sind nicht nur Lehrer für Flüchtlinge, sondern auch Lehrer für andere Lehrer.
Antonia: Ja, genau, so kann man das sehen.
Das freut mich. In den 16 Jahren an der SchlaU-Schule, woran erinnern Sie sich am besten – was in 16 Jahren Gutes passiert ist oder Schlechtes?
Antonia: Das Allerschönste ist immer, wenn ich merke (und das passiert jedes Jahr und immer wieder), dass ein Jugendlicher, der zuerst gedacht hat, er kann etwas nicht schaffen, es dann doch schafft, seine Ziele zu erreichen. Wenn wir das miterleben dürfen, wenn er diese Ziele erreicht, also zum Beispiel, wenn jemand seinen Abschluss macht, bei dem wir vielleicht ein halbes Jahr vorher noch gedacht haben, es geht ihm ganz schlecht, er ist krank, er hat viele Probleme, wie soll er das schaffen? Und wenn es dann doch klappt, sind das die schönsten Momente. Oder wenn ich in ein Restaurant gehe und dort als Chefkoch ein ehemaliger Schüler kocht und ich weiß, was der geschafft hat, und wir kennen uns noch von vor zehn Jahren. Dann ist das ganz, ganz toll, weil ich noch weiß, wie er vor zehn Jahren angekommen ist und gedacht hat, er kann nichts schaffen und was soll er hier machen, und jetzt ist er irgendwo Chefkoch. Das sind ganz, ganz tolle Augenblicke.
Sie sind ganz begeistert. Und wie kann man so schnell Deutsch lernen? Ich habe viele Leute gesehen, die sind in eine deutsche Schule gegangen und konnten nach fünf Jahren nicht so gut Deutsch sprechen wie ein Schüler in der SchlaU-Schule und ISuS-Schule. Was machen die Lehrer, gibt es eine Spritze oder ein paar Tabletten? (lacht)
Antonia: (lacht) Nein, ich glaube, die Lehrer hier lieben einfach ihre Schüler, und das merken alle. Man kann viel besser lernen, wenn man merkt, dass man angenommen ist und dass die Leute es gut mit einem meinen. Ich glaube, dass das das Wichtigste ist.
Ich habe noch eine andere Frage. Ich habe manche Lehrer und Lehrerinnen an der deutschen Schule gesehen. Sie sind ganz streng, aber in der SchlaU-Schule sind die Lehrer nicht streng. Nur manchmal. Warum?
Antonia: Ich glaube, das liegt an euch Schülern, weil ihr so tolle Jugendliche seid (lacht) und wir einfach viel Spaß haben mit euch. Und ich glaube, die Lehrer hier sind alle sehr engagierte und auch politisch denkende Personen und haben eine Vorstellung, wie man mit anderen Menschen umgehen und leben sollte, nämlich mit Respekt und mit Anerkennung und mit Wertschätzung, egal mit wem. Und das leben die Leute, die hier Lehrer sind, in ihrem privaten Feld und in ihrem beruflichen Feld.
Was denken Sie, was ist besser für Flüchtlinge, nur einen Abschluss zu machen oder auch eine Ausbildung?
Antonia: Ich glaube, dass es im Leben immer wichtig und sinnvoll und gut ist, wenn man eine gute Ausbildung hat und einen guten Beruf wählt, in dem man gerne das ganze weitere Leben arbeitet. Und ich glaube, dass es deswegen für alle sehr wichtig ist, entweder eine Ausbildung zu machen oder eben mit der Schule weiterzumachen, weil man zum Beispiel noch Abitur oder Universität oder irgendeine andere Ausbildung machen will. Aber ich glaube, es ist immer wichtig für jeden Menschen, dass er eine Basis im Leben hat, auf der er später beruflich glücklich wird.
Man bekommt später, wenn man in der Ausbildung ist, Hilfe bei SchlaUzubi. Was bekommt man da?
Antonia: Man bekommt Nachhilfe, man bekommt Beratung, man bekommt Unterstützung, wenn man zum Beispiel Probleme mit dem Chef hat oder wenn man einen Streit mit einem Lehrer hat. Auch die Lehrer oder die Chefs bekommen Beratung von den SchlaUzubi-Lehrern, weil sie manchmal Fragen zum Aufenthalt oder zur Ausbildungserlaubnis haben. Die Schüler bekommen auch Hilfe durch die Sozialpädagogen, zum Beispiel wenn sie psychische Krisen haben oder umziehen oder BAföG oder Lebensunterhaltsleistungen beantragen müssen.
Und meine letzte Frage: Wie viele Lehrer und Sozialpädagogen und Psychologen gibt es in der SchlaU-Schule?
Antonia: Oh, das darfst du mich nicht fragen, da muss ich jetzt nochmal nachzählen (lacht). Aber wir müssten ungefähr 50 Lehrer und Sozialpädagogen und eine Schulpsychologin sein. Zwischen 45 und 50, aber ich kann dir die genaue Zahl gerade gar nicht sagen (lacht).
Und zum Schluss wollte ich wissen, was Ihre Empfehlung für die Jungen und die Mädchen in der SchlaU-Schule ist?
Antonia: Habt Vertrauen! Habt Vertrauen, und zwar habt Vertrauen in die Lehrer hier, dass sie euch gut helfen und gut beraten, und habt Vertrauen in euch, dass ihr ganz viel schaffen könnt. Manchmal ist es schwer, manchmal ist der Weg voller Hindernisse, voller Steine, aber habt Vertrauen, dass ihr das schaffen könnt.
Danke! Danke für Ihr Interview. Auch von den Flüchtlingen in der SchlaU-Schule. Man kann hier nicht Flüchtlinge sagen, weil wir später auch Deutsche sind.
Antonia: Eben! (beide lachen) Wir sind alle Menschen.
Wir sind alle Menschen. Danke schön!
Antonia: Vielen Dank!
Omid Afghanistan
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Weltzeitung №2 2016 Schülerzeitung der Schlau-Schule München
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